Der König

Es war einmal ein König in einem großen Reich. Er lebte in einem Schloss mit breitem Wassergraben und vielen Bediensteten. Aber etwas störte ihn, er hatte die Welt noch nicht kennen gelernt. Sicherlich er kannte Max Stroh und Werner Wichtig und all seine Getreuen, aber sonst?

Deshalb wollte er allein die Welt entdecken, mit den Menschen reden, die in seinem Reich lebten, für die er sorgte.

So zog er am nächsten Morgen einfache Gewänder an, schaute nach rechts, schaute nach links und schlich sich aus seinem Königreich.

Natürlich hatte seine engste Vertraute Martha Treu, die nachts vor Sorge sowieso nie ein Auge schloss, den König aus dem Schloss schleichen sehen.

»Wie nur«, dachte sie, »kann ich dem König ein für alle Mal klar machen, dass es viel zu gefährlich ausserhalb des Schlosses ist?« Sie dachte kurz nach und kam zu einem Entschluss.

Inzwischen staunte der König nicht schlecht. Der Frühling hatte die Äcker grün gemacht, die Gesichter der Menschen freundlich und offen, jeder begrüßte ihn, keiner wusste, dass er den König vor sich hatte. Ein beleibter Mann zwar, sicherlich jemand mit viel Land, aber niemand wusste dass es der König war, dem das ganze Land gehörte. Mit den Menschen begann der König zu reden, zu schwatzen, zu lachen, über nichts und die ganze Welt, über den Frühling, die Ernte wie sie wohl ausfallen würde und über die Kinder, die geborenen und ungeborenen.

Der König fühlte sich sonnenwohl und ging immer weiter. Am Wegesrand kam ihm eine Patrouille entgegen. Grimmig fragte der Hauptmann, wer er sei, ein Wanderer, antwortete der König, ein frühlingshaft Suchender. Der Hauptmann erwiderte er sehe aus wie ein Verbrecher, den man schon immer gesucht habe.

Der Hauptmann nämlich hatte von Martha Treu den Auftrag den König so schnell wie möglich wieder in das Schloss zu bringen, ihn als Verbrecher zu verhaften. Danach, so hoffte Martha Treu, würde der König niemals mehr das Schloss verlassen wollen. So machte sich der Hauptmann und seine Gefolgschaft daran den König zu verhaften und wie es Sitte im Lande war den König hier und da zu kneifen, zu ohrfeigen und am Ende blau und windelweich zu schlagen. Der König war einer Ohnmacht nahe, selbst sein, »Aber ich bin doch der König!«, nutzte nichts mehr.

Halb tot schleppten sie den König in sein Schloss zurück. Die Bediensteten des Königs waren außer sich, aber was hatte er auch außerhalb des Schlosses zu suchen? Martha Treu stand bereits am Eingang und erklärte dem Hauptmann und seiner Gefolgschaft, »Und das ist der Herrscher meine Herrschaften.« Der König wurde in sein Zimmer getragen, Martha Treu zog ihm sanft die Bettdecke bis zur Nasenspitze.

Bilder: Kerstin Bober

Texte von Jürgen Gisselbrecht | copyright 2023